Die einzelnen Tage lassen sich nicht mehr so richtig auseinanderhalten. Die Grenzen sind verwischt. Es bleiben Fetzen, Bilder im Kopf, Fotos auf dem Handy, Gefühle, Wörter, Zahlen…
Die Erinnerung an Wochen ohne Schule, ohne Arbeit, ohne Studium, ohne Pilates, ohne Tangokurs, ohne die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, ohne Reisen, ohne Freunde und Familie zu treffen, ohne Händeschütteln, Umarmungen und Begrüssungsküsse, ohne Shopping, ohne Bank oder Post oder sonst irgendwelche Bürogänge, ohne Restaurants, ohne Coiffeur, ohne Ausgang, ohne Kaffeeklatsch in der Pause, ohne Inspiration, ohne Mehl und Toilettenpapier in den Geschäften… Wochen mit Online-Unterricht, mit Selbststudium, mit Kursen per Live-Streaming (sogar Tangounterricht), mit unzähligen Mails, dem Kennenlernen neuer Plattformen, mit Online-Besprechungen, mit Telefonaten und Videoanrufen (so vielen wie noch nie und zu den ungewohntesten Zeiten), mit der Verabschiedung „Bleib gesund!“, mit Laufen und Fahrradfahren, mit eingehaltenen und nicht eingehaltenen Abständen, mit Plexiglasscheiben, mit Fuss- oder Ellbogenbegrüssungen, mit Luxusproblemen, mit systemrelevanten Jobs, mit Homeoffice, mit dem Wunsch produktiv zu sein und der Frage danach, was diese Produktivität eigentlich soll, mit Infekionszahlen, mit Todeszahlen, mit Genesenenzahlen, mit der Entdeckung und Wiederentdeckung von Hobbies, mit Kreativität, mit Zuversicht und Hoffnungsschimmern, mit dunklen Tunnels und Pessimismus, mit Enthusiasmus und Putzattacken, mit Kochen und Backen, was das Zeug hält, dem Ausprobieren neuer Rezepte… Wochen mit Bildern von klatschenden, musizierenden Leuten auf Balkonen, mit Bildern von Särgen, die von Militärfahrzeugen transportiert werden, mit Bildern von Fledermäusen, von leeren Städten und Delfinen in den Kanälen Venedigs, von Demonstrationen, von leeren und vollen Spitälern, von Abdrücken in Gesichtern, die durch das Maskentragen verursacht wurden, mit Bildern von Intensivstationen und Beatmungsgeräten… Wochen mit Entschleunigung und Stress, mit ausgiebigen Frühstücken mitten in der Woche, mit viel Organisatorischem und langen to-do-Listen, mit Kurzarbeit, mit wenig Ausgaben und wenig Einnahmen, mit Ruhe und Nervosität, mit Rücksicht und Egoisten, mit Diskussionen um Freiheit und Selbstbestimmung, mit Information und Desinformation… Wochen mit Aufs und Abs, mit vielen Fragen und einigen Antworten, mit Sorgen…
Sorgen um unsere Lieben, um uns, um Menschen in Asylheimen, um die Zukunft, um die Situation in anderen Ländern, Sorgen um Angehörige und Freunde in Italien und Argentinien, wo es keine Kurzarbeit gibt, wo die Preise in den Supermärkten in die Höhe schnellen, wo jetzt, da wir hier in der Schweiz wieder zu einer sogenannten „Normalität“ zurückkehren, die Infektionszahlen rasant zu steigen beginnen…
Wochen mit DANKBARKEIT. Dankbarkeit im Wissen, dass wir und unsere Lieben gesund sind, ein Dach über dem Kopf, laufendes Wasser und zu Essen haben… und mit Dankbarkeit für die Dankbarkeit, die alles andere als selbstverständlich zu sein scheint.
Der Weg ist das Ziel. Treffender als für den Jakobsweg kann dieses bekannte Sprichwort ja nicht sein… Niemand wünscht dir auf dem Weg: Komm gut in Santiago de Compostela an!
Buen camino! Einen guten Weg! lautet der Gruss auf und neben dem Weg.
Dieses Der Weg ist das Ziel spüren wir am letzten Tag unserer Pilgerung besonders stark. Die Wegweiser am Wegrand zeigen immer weniger Kilometer an… Noch 15 Kilometer bis Santiago… Noch 10 Kilometer… Noch 2 Kilometer… Es ist eine verrücke Mischung aus Wir haben es bald geschafft! und Es ist bald zu Ende! Eine Mischung aus einer Art Vorfreude und Aufregung, wie als man sich als Kind auf den Geburtstag gefreut hat und einer leisen Wehmut. Wir ertappen uns dabei, wie wir etwas mehr Pausen einlegen, etwas stiller sind… Und kann es sein, dass wir vielleicht sogar etwas langsamer laufen?
Eine Träne rollt unerwartet meine Wange herunter. Sie scheint mich zu fragen: Hast du den letzten Kilometer gelebt? So richtig? Vom Aufsetzen der Ferse auf dem Boden bis zum Abrollen über den Fussballen und die Zehenspitze zum erneuten Heben…? Vom Geruch, nach feuchter Erde im Wald und den unzähligen Grüntönen der Bäume, dem Gezwitscher der Vögel, dem Geräusch der eigenen Schritte auf den Kieselsteinen, den warmen Sonnenstrahlen im Gesicht, dem Gewicht des Rucksacks, das durch die Träger in die Schultern schneidet, bis zum Erspähen der gelben Jakobsmuschel, die den Weg anzeigt?
Wegweiser auf der letzten Strecke des Camino Portugués von Padrón nach Santiago de Compostela
Wunderschönes Frühlingswetter. Pärke, Wald und Rheinufer sind voll von Menschen, die spazieren und die Sonne geniessen. Mein Mann arbeitet in einem Gastronomiebetrieb und berichtet von Leuten, die essen gehen als wäre es ein ganz gewöhnlicher Sonntag. Ist das der sogenannte Ernst der Lage? Ich fahre mit dem Fahrrad erneut zu meinen Eltern und teile ihnen im Garten auf Abstand mit, dass wir nicht mehr so tun können, als ob nichts wäre. Wir können sie nicht mehr besuchen und zusammen am Tisch sitzen. Auch sollten sie Kontakte mit anderen Leuten vermeiden, nicht mehr nach draussen gehen, wir können für sie einkaufen. Sie wirken zunächst überrascht, doch dann können sie unsere Entscheidung nachvollziehen und bedanken sich dafür. Wir sind erleichtert darüber, Klarheit geschaffen zu haben.
Montag 16. März 2020
Der Tag beginnt früh. Das Geschäft meines Mannes schliesst. Er könne die Lebensmittel, die übrig sind holen. Wir haben Waschtag. Zwischen einer Wäsche und der anderen kaufe ich ein (immer noch oder wieder kein Toilettenpapier in den Geschäften) und renne von einem Ort zum anderen, erledige Bürokratisches, organisiere, vergesse, zu Mittag zu essen. Ich läute bei unseren über 80 jährigen Nachbarn und biete ihnen an, für sie einkaufen zu gehen. Nein, das sei zwar sehr nett aber absolut nicht nötig. An etwas müsse man ja sterben… Sie würden sich keine Sorgen machen. Das Alter sei eine Frage der Einstellung…
Am späten Nachmittag wird nach dem Epidemiegesetz die ausserordentliche Lage deklariert. Ein Armeeeinsatz wird angekündigt – die grösste Mobilmachung seit dem 2. Weltkrieg. Restaurants, Clubs, Geschäfte, Grenzen geschlossen… Zwischendurch hört sich alles so surreal an.
Dienstag 17. März 2020
Ein voller Kühlschrank. Wunderschönes Wetter. Vielleicht ist dieses Herunterfahren, dieses Verlangsamen der Gesellschaft ein Geschenk? Wir können uns all dem widmen, für das wir im Alltag nicht genügend Zeit haben… Sport, lesen, aufräumen, in uns gehen,… und und und… Wir können uns besinnen und auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist im Leben, zur Ruhe kommen.
Zwischendurch Nachrichten. Mehr und mehr Fälle… Das Gesundheitssystem wird an seine Grenzen kommen. Grosse Besorgnis. Tausend Fragen.
Videocalls mit Verwandten in Italien. Sie haben sich inzwischen organisiert. Diese surreale Situation ist ein bisschen so etwas wie Alltag geworden. Sie arbeiten von zu Hause aus, machen Schulaufgaben, haben online Yoga-Unterricht, kochen und backen, was das Zeug hält. Wir lachen zusammen, es ist so schön, zu Zeiten, an denen man sonst nicht sprechen kann, alle zu erreichen. Zwischen einer Anekdote und der anderen immer wieder ihre Ermahnung… Nehmt es ernst! Ihr seid noch etwas früher dran als wir und könnt aus der Situation, in der sich Italien befindet, lernen!
18. März 2020
Putztag.
19. März 2020
Am Mittag klingelt der „An etwas muss man ja sterben-Nachbar“ und meint, er würde mein Angebot für ihn einzukaufen doch gerne annehmen.
Videocalls mit Verwandten in Argentinien. Zwischen einer Anekdote und der anderen immer wieder unsere Ermahnung… Nehmt es ernst! Ihr seid noch etwas früher dran als wir…
Am Nachmittag habe ich Unterricht. Ich versuche, im Bus nichts anzufassen und von den anderen Personen Abstand zu halten. Als ich in die Fachhochschule komme, desinfiziere ich mir die Hände. Im Kursraum scheint alles wie normal zu laufen. Ich bin insgeheim froh, dass ich etwas spät dran bin und nur noch einen Platz alleine in der hinteren Reihe finde. Die anderen Studenten sitzen nebeneinander, so wie immer. Ich bin hin und her gerissen und zweifle an meiner Zurechnungsfähigkeit. Bin ich übertrieben? All das, was ich gestern gelesen, gehört, gesehen habe? Sollte ich etwas sagen? Die Dozentin fasst mir an die Schulter, um zu fragen, ob alles klar ist. Ist das ok? Wir machen Partner- und Gruppenübungen und reichen uns verschiedene Bücher herum. Wer nicht möchte wegen des Coronavirus müsse sie nicht anfassen. Augenrollen der Dozentin. Lachen einiger Mitstudenten. Anfassen? Ja? Nein? Eine Bemerkung machen? Ja? Nein? Ich fahre mit einem unguten Gefühl zur Stosszeit mit dem Bus nach Hause.
12. März 2020
Ich muss eine Arbeit verfassen. Es fällt mir schwer, mich zu konzentrieren. In einer Pause schreibe ich der Fachhochschule eine Mail und bitte um einheitliche und verbindliche Massnahmen, wie beispielsweise das Einhalten von Abstand in den Lehrveranstaltungen. Am Abend besuchen wir meine Eltern, halten zwar Abstand aber wir fühlen uns nicht gut dabei.
13. März 2020
Freitag der 13. An der Schule sprechen alle nur über das eine: Wird sie geschlossen? Die Schülerinnen und Schüler sind bestens über die „So schützen wir uns Kampagne“ informiert. Sie machen Witze: Wer ist heute der Seifenboss? Wer ist heute der Konjugationsboss? Sie sitzen alle eng nebeneinander, fassen sich an, lehnen sich an ihre Banknachbarn, teilen Stifte und Bücher… Normaler Schulalltag. Fast. Ein Schüler ist per Videocall von zu Hause aus dabei. Er war in Italien in den Ferien und ist nun in Quarantäne. Vier weitere Schüler fehlen. Sie sind krank. Wir verabschieden uns: Bis nächste Woche – vielleicht!
Sondersitzungen in der Schule, auch bei der Arbeit meines Mannes. Wir warten angespannt auf die Pressekonferenz des Bundesrats. Ich schaue ständig auf die Uhr. Dann ist es soweit. Die Lage sei ernst… Die Schulen werden geschlossen, in Restaurants sollen sich höchstens 50 Personen aufhalten und weitere Massnahmen. Ich gehe einkaufen und bin nicht die einzige, die die Idee hatte. Volle Einkaufswägen, kein Toilettenpapier mehr, fast kein Mehl, leere Reis- und Teigwarenregale. Ich kaufe auch zwei anstatt wie normalerweise eine Butter und mehr Milch und mehr Tomatensauce als sonst. Die Atmosphäre im Supermarkt ist sehr angespannt. Die Kassiererin flucht und wirkt gehetzt. Die Leute stehen dicht nebeneinander Schlange. Soll ich den vor mir in der Schlange oder diejenige hinter mir bitten, den Abstand zu wahren?
Samstag 14. März 2020
Unzählige Mails. Sämtliche Kurse abgesagt oder verschoben. Immer mehr Corona-Fälle in der Schweiz. Wie wird es weitergehen? Ist unsere finanzielle Existenz gesichert? Was, wenn die Schulen noch länger geschlossen bleiben müssen? Was, wenn es so schlimm wird, wie in Italien? Was, wenn wir bereits angesteckt wurden und es nur nicht wissen? Was, wenn wir andere angesteckt haben? Was, wenn das Ganze länger dauert? Wochen? Monate? Ein Jahr? Mehr? Was, wenn man keinen Impfstoff entwickelt oder dies erst in mehreren Monaten oder gar Jahren geschieht? Was, wenn die Massnahmen keine Wirkung zeigen? Was, wenn man nicht mehr reisen kann? Unsere Sommerferien? Fallen sie ins Wasser? Was, wenn wir für eine lange Zeit nicht nach Argentinien fliegen können, um die Familie zu besuchen? Was, wenn das alles nur Luxusprobleme werden? Was, wenn es nur noch ein Vor und ein Nach dem Coronavirus geben wird? Nichts wieder so wird, wie es war? Ich habe starke Kopfschmerzen und sinke bereits um 20 Uhr in einen tiefen Schlaf.
Wir machen den Jakobsweg in Nordwestspanien. Wunderbar. Körperliche Anstrengung, abschalten, frische Luft, schöne Landschaften, gutes Essen… In jedem Restaurant, in jeder Bar, in jedem Café, wo wir eine Pause einlegen, läuft mindestens ein Fernseher. In den Nachrichten an den ersten Tagen: Um die 100 Coronavirus-Fälle in Spanien… mit jedem Frühstück, jedem Mittagessen, jedem Abendessen werden es mehr und mehr und mehr… An unserem Abreisetag sind es schon über 1000.
Nur Wenige machen zu dieser Jahreszeit den Jakobsweg. Wir laufen meist alleine und in den Herbergen, Pensionen und Hotels, wo wir übernachten, sind wir oft die einzigen Gäste. Die Betreiber sind besorgt. Wenn es so weiter geht, wird es eine schlechte Saison. Unterwegs begegnen wir einigen Deutschen, einem Franzosen, drei Süditalienern, einem Chilenen… ES ist immer Thema. Aber alle belächeln es – wir auch. Wir fühlen uns wie Verbündete, Eingeschworene, die über dieser ganzen Hysterie stehen. Man mache ein riesen Theater daraus. Die Symptome seien wie bei einer Grippe. Darf ich von deinem Wasser haben? Ja klar, auf eigene Gefahr… Achtung Coronavirus… Hahaha…. Ich merke, dass ich mir etwas häufiger als sonst die Hände wasche.
Als wir im Pilgerbüro in Santiago de Compostela unseren Pilgerausweis beantragen, ist ein grosser Abstand zu den Angestellten markiert. Ich mache ein erstauntes Gesicht. „Das ist zu Ihrem und unserem Schutz!“, meint die Angestellte mit Plastikhandschuhen. Im Flugzeug auf dem Rückflug zucken wir bei jedem Niesen oder Husten, das wir in der Nähe hören zusammen und schauen uns um. In der Schweiz angekommen, sitzt im Bus vom Flughafen nach Hause eine Gruppe Norditaliener, die von einem Urlaub zurückkommt. Wir hören, dass sie zum Bahnhof wollen. Sie befürchten, bei der Grenzkontrolle Probleme zu bekommen oder gar in Quarantäne gesteckt zu werden. Wir ertappen uns dabei, wie wir von ihnen Abstand nehmen.
10. März 2020 Nachmittag und Abend
Ich telefoniere mit meinen Eltern. Wir sind zurück, alles ist bestens gelaufen, es war schön, wir sind gesund Mamma, … ja auch nicht erkältet, Mamma… Bevor ich das Telefon auflege, meint meine Mutter noch: „Gut, dass ihr nicht da wart in den letzten Tagen und abschalten konntet! Informiert euch jetzt aber lest auch nicht zu viel…“
Und dann beginne ich – und ich kann nicht mehr aufhören. Berichte, Experten, unterschiedliche Medien, aus verschiedenen Ländern, Symptome, Krankheitsverläufe, Fotos aus Italien, aus China, Wuhan, exponentielles Wachstum, Grafiken, Zahlen, keine Behandlung, Selbst-Isolation, Was muss man beachten?, Impfstoff?, Mails von der Arbeit über Massnahmen, kein Händeschütteln, Wie sollen die Tische desinfiziert werden?, Erklärvideos, Schutzmasken – ja, Schutzmasken – nein, Corona-Fälle an der Fachhochschule, eine ganze Klasse in Quarantäne, positive Tests, negative Tests, COVID-19, wie wird das Virus übertragen, künstliche Beatmung, Pandemie, Überlastung des Gesundheitssystems, Risikogruppen…
Risikogruppen. Meine Eltern. Dürfen wir sie nicht mehr besuchen? Nicht mehr umarmen? Sollten sie nicht mehr aus dem Haus? Wie soll das gehen? Ich bin fix und fertig und verstehe nun den Satz meiner Mutter.
Beim Überfliegen der Nachrichten im Netz registriere ich ES immer wieder mal aber nur so am Rande zwischen Iran – USA – Protesten wegen Rentenreformen in Frankreich – ein Virus in China – Fotos von Vermummten – die Zahl der Infizierten steigt – Ratifizierung des Brexit-Abkommens – Greta am WEF…
Irgendwann im Februar 2020
An der Schule, unter Kollegen, in Kursen… Dieses Corona-Virus… Reine Panikmacherei… An einer normalen Grippe sterben viel mehr Personen… Ich kann es schon nicht mehr hören… Ich auch nicht… Also ob es etwas Neues wäre, dass man sich die Hände waschen soll… ES überschattet alle anderen viel tragischeren Nachrichten… Ja… also wirklich… Die eine Klasse hat vereinbart, dass alle, die das Wort „Coronavirus“ aussprechen, einen Kuchen für die Klasse backen müssen… Hahaha… Gute Idee… In Italien… Die Italiener, wie immer… voll übertrieben…
Mein Schwager, der uns im Frühling aus Argentinien besuchen sollte, teilt uns mit, dass sein Flug von Mailand aus gestrichen wurde. Wir sind enttäuscht und es tut uns leid, dass er seine seit langem geplante Reise nicht machen kann.
28. Februar 2020
Der Bundesrat beschliesst, in der Schweiz Veranstaltungen mit über 1000 Personen zu verbieten – das heisst u.a. keine Basler – Fasnacht. Was? Besondere Lage aufgrund der Coronavirus-Epidemie… Das letzte Mal wurde die Fasnacht vor 100 Jahren wegen einer Grippewelle verschoben… Aber ganz abgesagt? Die armen Fasnächtler, die sich gefreut und sich das ganze Jahr darauf vorbereitet haben… Ist es denn wirklich so schlimm mit diesem Virus? Einige Experten meinen, die Ansteckungsgefahr sei doch gar nicht so gross, wenn man draussen sei, wie im Falle der Fasnacht und man Masken trage… Oder etwa doch, wenn man eine solche Massnahme ergreift?
29. Februar 2020
Wir packen. Morgen gehen wir nach Spanien in die Ferien. Mein Vater hat Bedenken… Wäre es nicht sinnvoller, angesichts der „Corona-Situation“ nicht zu verreisen? Wir finden es übertrieben. Die Ferien waren schon lange geplant und wir haben sie nötig. Ausserdem sind wir kerngesund – also kein Grund zur Panik. Passt auf euch auf… Ja, ihr auch!
1. März 2020
Die ersten Personen mit Masken sind am Flughafen zu sehen… Etwas unheimlich irgendwie. Aber die sind doch hysterisch. Im Flugzeug sitzt eine Asiatin vor uns, die eine Schutzmaske trägt und alles nur mit Taschentüchern anfasst. WTF???
„… lernt Hans“, findet Norma Loss. Zum Lernen ist niemand zu alt – und auch nicht, um sich auf die Suche nach den eigenen Wurzeln zu machen.
Norma meine über 80 jährige Schülerin
5 Minuten später als vereinbart und damit nicht ganz so pünktlich wie sonst ist Norma im Café, in dem wir uns verabredet haben. Wie jeden Donnerstag erscheint sie klassisch, elegant in Brauntönen gekleidet. Ihre Frisur sitzt perfekt. Obwohl sie vom Gehen etwas ausser Atem ist, strahlt sie die gewohnte Ruhe aus. Eine echte Señora eben. «Weißt du, ich habe die U-Bahnfahrkarte vergessen und musste wieder zurück nach Hause, um sie zu holen. Ich weiss nicht weshalb aber auf dem Weg hierher ist mir plötzlich ein Wort eingefallen: „gegessen“. Das ist das Partizip II von „essen“, richtig? Warum repetiert man denn dieses „ge“? Wäre „gessen“ nicht einfacher gewesen?»
Norma ist eine meiner Schülerinnen am Sprachinstitut in Buenos Aires. Die älteste, um genau zu sein und die weiseste von allen, wie ich manchmal scherze. «Ich bin ganze 50 Jahre älter als du», lacht sie. «Ein halbes Jahrhundert!», fährt es mir durch den Kopf. Auf meine Frage, weshalb sie sich mit 82 Jahren entschieden habe, Deutsch zu lernen, meint sie: «Ich wollte meinen Kopf arbeiten lassen. In meinem Alter kann man die körperlichen Probleme nicht umgehen aber der da, (sie tippt sich an den Kopf) sollte sich ein bisschen anstrengen. Und da Deutsch eine schwierige Sprache ist, habe ich mich im Kurs eingeschrieben. Etwas Einfaches zu lernen, interessierte mich nicht.» Mehrere lateinische Sprachen könne sie schon, diese seien einfach. Eigentlich hätte sie ja gerne Philologie studiert, da sie den Dingen gern auf den Grund gehe und beispielsweise wissen möchte, woher ein Wort kommt.
Verschiedene Studien zeigen auf, was Norma schon lange zu wissen scheint: Nämlich wie wichtig es ist, auch im Alter das Gehirn stets zu beschäftigen und zu trainieren. Dabei spielt es keine Rolle, womit – sei es Klavierspielen, Malen oder eben eine Fremdsprache lernen – Hauptsache man lernt etwas Neues. «Aber Deutsch ist schwierig», meint Norma. «Vor allem, weil ich nicht genug übe. Aber gestern und heute habe ich ein bisschen gelernt.»
Im Allgemeinen findet sie, mache man viel zu schnell vorwärts im Unterricht – deshalb hätte sie eine Stufe zweimal gemacht, um die Basis besser zu fixieren. «Wir brauchen etwas mehr Ruhe, um zu lernen… Jung und alt.» Mit Rhythmus und Reimen lerne sie gern, das helfe, wenn man eine Sprache lerne. Sie wisse, dass das Auswendiglernen heute etwas aus der Mode sei. Obwohl sie vor langer, langer Zeit Italienisch gelernt habe, könne sie sich aber bis heute noch an den Eintritt ins Höllentor von Dante erinnern, den sie damals auswendig gelernt hatte. Und schon rezitiert sie mit Inbrunst: «Per me si va nella città dolente… Ich bin eben eine geborene Schauspielerin, meine Liebe!»
Mit Norma zusammen im Kurs sind vier Studenten, die sich in den Zwanzigern befinden, eine 30 jährige Biologin und ein SAP-Spezialist in den Mittdreissigern. Oft machen wir Gruppen- und Partnerarbeiten, in denen man zusammen eine Aufgabe löst und sich austauscht. Auch in den Pausen wird viel diskutiert und gelacht – nicht selten über Deutsch – das verbindende Element. In einer Lektion sprechen wir über Musik und so kommt es, dass Norma zum ersten Mal Elektronische Musik hört – «Lustig», findet sie lachend. Sie bleibe jedoch lieber beim Tango. Im Gegenzug gibt sie immer wieder mal eine Anekdote „von früher“ zum Besten. Mit Mails und Internet & Co. hat Norma keine Probleme, da sie ja auch ganz schön viel Zeit vor diesem Apparat sitze. Schade findet sie, dass es auf Netflix nicht so viele deutsche Filme gibt.
Dass sie nicht neugierig und offen für Neues sei, kann man Norma nun wirklich nicht vorwerfen. Laut Soziologen, eine der besten Voraussetzungen für gutes Altern. Genauso wie eine wirtschaftliche Absicherung, ein stabiles Sozialleben und moderate Aktivitäten.
Auf die Frage hin, wie sie sich im Kurs fühle, wird Norma ernst. «Manchmal fühle ich mich etwas schuldig, weil ich lieber mit Jungen als mit Alten zusammen bin. Und dabei bin ich ja auch eine Alte, verflucht noch mal…» Aber sie arbeite eben lieber mit Jungen zusammen. Da fühle sie sich super. Wenn sie dann im Himmel sei, meint sie und zeigt mit dem Finger nach oben, dann würde man eben mit ihr abrechnen.
Als ich sie auf ihren deutschen Nachnamen anspreche, erzählt sie mir ein ganzes Stück Familiengeschichte. Die Familie ihres Vaters stamme aus dem Tirol. Dort heisst es, seien sie in einer ganz guten ökonomischen Position gewesen. «Mein Grossvater verliebte sich jedoch in eine Hausangestellte und da dies zu jener Zeit von der Familie nicht akzeptiert wurde, flohen sie über die Alpen nach Genua. Von dort aus nahmen sie ein Schiff nach Brasilien, wo sie während mehrerer Jahre im Kaffeeanbau tätig waren. Ein paar meiner Tanten und Onkel kamen dort auf die Welt. Eines Tages kehrten sie jedoch, nachdem sie etwas Geld gemacht hatten, nach Italien zurück. Mein Vater wuchs in der Region um Vicenza auf und machte dort auch den Militärdienst. Als er um die Dreissig war, kam er nach Argentinien. Hier lernte er meine Mutter kennen, die Tochter von italienischen Einwanderern war – eine Bianchini. In Buenos Aires führten sie eine Metzgerei.»
Eine Migrationsgeschichte, wie es sie in vielen Familien Argentiniens anzutreffen gibt. Zwischen 1850 und 1950 schifften sich tausende und abertausende Europäer im Hafen von Genua ein. Vor allem Italiener aber auch Spanier, Franzosen, Deutsche und Schweizer kamen, so wie Normas Vorfahren, mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft in das südamerikanische Land. Wenn man die Namenslisten in den Sprachkursen durchgeht, wird man sich dieses riesigen Migrationflusses bewusst. Viele meiner Schüler und Schülerinnen lernen beispielsweise Deutsch oder Italienisch, um ihre Wurzeln besser kennen zu lernen, um einen Kontakt zu Verwandten in Europa wieder herzustellen und etwas über ihre Familiengeschichte zu erfahren. Auch Norma meint: «Weißt du, ich möchte etwas besser Deutsch lernen, um wenn ich nach Europa reise, etwas verstehen zu können. Es gibt ein Dorf im Tirol, da sollen ganz viele Loss leben und ich möchte mit meinen entfernten Verwandten sprechen können.»
Als ich sie um ein paar Worte bitte, die andere ältere Leute dazu ermutigen sollen, eine Sprache zu lernen, meint sie: «Einen Tipp für die Alten? Es ist absolut notwendig, je älter wir werden den Intellekt zu trainieren auch wenn wir unseren Körper nicht mehr so gut bewegen können. Denn was gibt es besseres, als mit einem klaren Verstand zu sterben? Ist das genug? Sonst kann ich noch lange weiter sprechen», lacht sie. Doch es ist schon spät – in 20 Minuten beginnt der Deutschkurs. «Moment, lass es mich auf Deutsch sagen!» Konzentriert schaut Norma auf ihre Uhr und formuliert jedes Wort langsam auf Deutsch: «Es ist 20 vor 6.» Als wir gemeinsam die drei Stöcke in Richtung Klassenzimmer hinaufsteigen und sie sich nicht ein bisschen darüber beklagt, dass es keinen Lift im Gebäude gibt, denke ich mir, dass wir alle noch viel von und mit Norma lernen können.
Ich bin konfessionslos. Meine Eltern wollten, dass ich wenn ich später dazu im Stande sein würde entscheiden könne, ob und welche Religion ich haben möchte. Und nun bin ich dreissig und immer noch konfessionslos. Ich habe mich für keine Religion entschieden. Und doch würde ich eigentlich von mir behaupten, dass ich religiös bin. Ich glaube an das Göttliche, an Gott… Ich bete für mich und meine Lieben und ich gebe es zu, zwischendurch auch mal für eine Prüfung die ich bestehen sollte. Ich bedanke mich für das Leben, die Gesundheit und so manch anderes Geschenk bei Gott. Gott nenne ich „ihn“, weil mir meine Grossmutter in Süditalien das so beigebracht hat, wenn sie manchmal heimlich mit mir betete als ich klein war. Ich mag es in Kirchen Kerzen anzuzünden, mich hinzusetzen und in mich zu gehen. Doch hat Religion für mich gleichzeitig auch immer wieder etwas Unheimliches an sich, etwas das mich skeptisch macht. Ich verbinde damit Schreckliches wie Krieg, Leid, Fanatismus und Falschheit. Gewisse Dinge wie bestimmte Rituale und Bräuche finde ich höchst befremdend. Nicht selten denke ich mir: „Die haben doch einen Knall!“ Es ist ein Hin und Her zwischen einem Gefühl der Zugehörigkeit und gleichzeitig der Fremdheit.
Zugehörigkeits- und Fremdheitsgefühle sind es auch, die mich auf meiner Pilgerung nach Luján begleiten. Ich bin mitten drin, ein Teil des Pilgerstroms der aus tausenden von Menschen besteht. Gleichzeitig komme ich mir manchmal wie eine Drohne vor, die das ganze Geschehen überfliegt, ein Zuschauer, ein Beobachter… Zwischendurch schaue ich mich um und frage mich, ob man mir nicht anmerkt, dass ich konfessionslos bin. Oder dass ich nicht aus Argentinien komme… Bin ich vielleicht die einzige Ausländerin unter den mehreren Tausend Menschen? Der Gedanke fasziniert mich.
Diese mehreren Tausend, sind tatsächlich mehrere Tausend. Im Jahr 2013, Papst Francisco sei Dank, waren es sogar 2,5 Millionen Pilger. Ja, 2,5 Millionen. Etwas mehr als ein Drittel der Bevölkerung der Schweiz, um es anders auszudrücken. Wie jedes Jahr seit 1975, findet die Pilgerung an einem Samstag anfangs Oktober statt. Wir starten morgens um 10 Uhr wie die meisten anderen Pilger auch in Liniers, einem Viertel der Hauptstadt Buenos Aires. Von dem Moment an, an dem wir eintauchen in die Menschenmenge und zu laufen beginnen, sind wir ein Teil von diesem Strom der fliesst, unaufhaltsam wie ein Fluss, ständig in Bewegung… in Richtung Luján. In der etwa 60 Kilometer von Buenos Aires entfernten Stadt, befindet sich die der Schutzpatronin Argentiniens gewidmete Basilica de Nuestra Señora de Luján – das Ziel der Pilger.
Junge, Alte, Menschen in Rollstühlen, allein, in Gruppen, still, schwatzend, singend, schnell, langsam, in Markenturnschuhen, in Flipflops, barfuss, mit Stöcken oder ohne, betend, scherzend, in sich gekehrt… Alles läuft und lebt, auf und neben dem Weg. Immer wieder mal trällert laute Musik aus mehr oder weniger guten Musikboxen, die auf Wägen von einigen Gruppen gezogen werden. Einmal ist es Cumbia, dann sind es religiöse Lieder. Teils bekommt man Lust mitzusingen und zu tanzen, teils sich die Ohren zu zuhalten. Einige der Kirchengruppen animieren die Pilger mit Megaphonen, machen Witze, feuern an, beten oder singen Lieder. Nicht wenige der Lieder kennt man aus dem Fussballstadion, nur die Texte wurden etwas abgeändert.
Am Wegrand wird alles nur erdenkliche angeboten. Zwei Rosenkränze zum Preis von einem, Pflaster, Schuhe und Schuheinlagen, der Stock des Papstes für nur 12 Pesos, Fahnen von Fussballclubs und der Jungfrau Maria… Bananen, die reich an Kalium sind werden angepriesen. Damit komme man schneller in Luján an, wird geworben. Alle möglichen Getränke, Gebäcke, Früchte, Chips locken links und rechts. Die Anwohner stellen einen Tisch vor die Haustür und verkaufen hausgemachte Schnitzelsandwichs, Fruchtsalate und Kuchen. Jeder der eine Toilette hat, stellt sie natürlich gegen Bezahlung, den Pilgern zur Verfügung. Und das Geschäft läuft – denn Toiletten sind heissbegehrt, vor allem bei den Frauen, die scharenweise Schlange stehen.
Gegen Mittag wird man von Rauchwolken und Düften vom Grill und Tortillas umhüllt, so dass das Wasser einem im Mund nur so zusammen läuft. Nachdem man bereits mehrere Stunden gelaufen ist, möchte man eigentlich am liebsten einfach irgendwo anhalten, sich hinsetzen und ein saftiges Steak bestellen. Einige tun dies auch, andere essen riesige Hamburger auf dem Weg – doch wir wissen, dass wir nicht mehr weiter laufen würden nach so einem Ding und geben uns Mühe durchzuhalten. Das Schinkensandwich das wir schliesslich am Mittag bei unserem ersten Halt von den freiwilligen Helfern unserer Pfarrei bekommen, erscheint uns das grösste und beste der Welt.
Die meisten Leute und so auch wir, gehen mit einer Gruppe aus einer Pfarrei auf die Pilgerung. In den drei offiziellen Pausen in den Ortschaften Merlo, La Reja und Gral Rodríguez richten diese Verpflegungsstationen ein. Dort kann man sich setzen und ausruhen. Die Freiwilligen bringen den Pilgern zu essen und zu trinken, verarzten schmerzende Füsse, massieren die Beine und bauen die Moral auf: „Komm, du schaffst es! Weiter so! Es ist fast geschafft!“. Wenn du es in einem guten Zustand bis nach Gral Rodríguez schaffst, schaffst du es auch nach Luján, heisst es. Wenn man in Gral Rodríguez ankommt ist es bereits Nacht und man ist bereits etwa 10 Stunden gelaufen und „Es ist fast geschafft“ heisst konkret: Es fehlen „nur“ noch ca. vier Stunden bis zur Basilika. Fast 60km sind es bis zum Ziel und wir laufen sie in etwa 14 Stunden. Die Pausen sollten möglichst nicht länger als 30 Minuten dauern, sonst wird es sehr schwierig weiter zu gehen.
Die Beine werden schwer wie Blei und die Füsse schmerzen, doch wir laufen weiter und tausend andere mit uns. Auch als die Sonne beginnt unterzugehen und die Nacht einbricht. Auf dem Weg reichen einem die Helfer der verschiedenen Pfarreien gegen den Abend Matetee und heissen Bouillon, den wir ohne anzuhalten dankbar annehmen, denn jedes Anhalten lässt die Beine noch schwerer erscheinen. Auch Taufen und Segnungen werden angeboten. Überall am Wegrand dehnen Leute oder machen eine Pause. Je später es wird und je näher man an das Ziel herankommt, desto mehr schmerzverzerrte Gesichter sieht man. Einige ziehen die Schuhe aus, weil sie sie nicht mehr aushalten, andere hinken oder werden sogar links und rechts gestützt, um weiterlaufen zu können. Doch man läuft weiter… oder viele zumindest.
Mit der Dunkelheit, wird der Pilgerstrom ruhiger. Die Müdigkeit dämpft die Stimmung etwas. Es gibt einen Stromausfall und wir laufen eine Weile im Stockfinsteren weiter. Je näher man ans Ziel kommt, desto mehr lebt die Menschenmasse allmählich wieder auf. Es scheint so, als bekämen die meisten Leute einen Energieschub, wenn sie in die Stadt Luján hineinkommen. Die Gebete und das Geschrei per Megaphon nehmen zu. Bei einigen der „Animateure“ fragen wir uns, ob sie irgendwelche Drogen konsumieren. Je näher man der Basilika kommt, desto enger werden die Strassen und Gassen durch die sich die Menschenmasse drängt und das Tempo verlangsamt sich gezwungenermassen.
Um punkt Mitternacht erreichen wir schliesslich die Basilica de Nuestra Señora de Luján. Viele Pilger brechen in Tränen aus wenn sie ankommen. Auch ich bin sehr berührt. Erschöpft nach der enormen physischen und psychischen Anstrengung überkommen einen unweigerlich eine Welle von unterschiedlichen Gefühlen und Gedanken. Es ist wundervoll es geschafft zu haben. In der Kirche wird gebetet, gebeichtet, fotografiert. Viele legen sich irgendwo auf den Boden hin und schlafen, um am nächsten Tag der Messe beiwohnen zu können. Wir werden vom Pfarrer, der zwischen der einen und der anderen Segnung der Menschenmasse zuruft, sie solle doch bitte zirkulieren, mit Weihwasser bespritzt.
Nach dem emotionalen Moment in der Basilika, nimmt jedoch ein Gedanke überhand: Bett, Bett, Bett… Die letzten Meter bis zum Bus, der uns nach Hause fährt kommen uns wie Kilometer vor. Doch wir sagen tapfer „Nein“, als unsere treuen Helfer anbieten, uns mit dem Rollstuhl zum Bus zu bringen. Ein bittersüsser Gedanke untermalt den ganzen Tag meine Zugehörigkeits- und Fremdheitsgefühle und begleitet mich während der ganzen Pilgerung: Wie gross wäre die Menschheit, wenn sie auch in anderen Dingen einen solchen Willen und eine solche friedvolle Solidarität an den Tag legen würde…
Weshalb sollte iiiiich einen Blog schreiben? Ist die erste Frage die ich mir stelle und gebe mal auf Google ein: „Wie erstelle ich einen Blog?“ Und schon werde ich wieder gefragt: „Warum möchtest du einen Blog erstellen?“ Ok, gehen wir zu Frage Nummer 2 über: „Geht es dir um einen Austausch von Gedanken oder willst du Geld verdienen?“ Waaaas? Man kann mit bloggen Geld verdienen? „Hast du dir schon ein Thema überlegt?“ Ömmm… ja so in etwa… „Hast du Lust regelmässig über dieses zu schreiben?“ Huch, Mooooment… was heisst „regelmässig“ genau? „Weißt du überhaupt genug über dieses Thema?“ ÄÄhhmm… auf was soll bitte dieses „überhaupt“ hindeuten? „Weißt du überhaupt genug über dieses Thema…“ Pfff… „Möchtest du täglich oder wöchentlich darüber berichten?“ Aha, das heisst also „regelmässig“… Muss ich das denn schon beantworten können? „Wenn du diese Fragen für dich beantwortet hast, sind wir schon einen sehr grossen Schritt weiter…“ Ok… Ich lese ein Stück weiter… und schon kommen Abkürzungen wie CMS, URL… Oje, oje… ich bekomme doch schon beim Wort „Server“ Gänsehaut… Weshalb tue ich mir so was an? Egal, weiter…. Tipps…. Puuh 23… „Allerdings ist es oftmals besser, sich auf ein ganz bestimmtes Thema festzulegen und nicht über Gott und die Welt zu berichten. … Umso spezieller ein Blog ist, umso interessanter ist er auch für Deine Besucher und landet oftmals schneller im RSS-Fees…“ Was in aller Welt ist nun daaaaas schon wieder? Google. Aha. (So in etwa) „Wenn Du Dich für eine ganz spezielle Nische (Welche wäre das in meinem Fall denn bitte sehr?) oder eben einen Bereich entschieden hast, ist es sinnvoll, auch auf die Konkurrenz zu schauen.“ Nööö, keinen Bock… „Gerade Anfänger neigen beim Bloggen dazu, mit Scheuklappen unterwegs zu sein, aber das ist in keinem Fall gut.“ Ok, ok ist ja gut… ich werde ein paar andere Blogs lesen… Hmm… hmm… blabla… blaaa… ok… Achtung: „Schiele nicht aufs Geld“ Nein, nein schon gut… Aber ich sollte mich vielleicht mal informieren… „Als Einsteiger sollten wir vermehrt darauf setzen, gute Inhalte zu schaffen“, ja ist doch selbstverständlich… (Augenverdreher) „Viel besser … den Fokus auf tolle und einzigartige Blogbeiträge zu lenken.“ Huch, einzigartig sollen sie auch noch sein… „Sei geduldig beim Bloggen“ … und beim „Wie-erstelle-ich-einen-Blog-Tipps“ lesen würde ich hinzufügen… „Vernetze Dich“ usw. „Webdesign und Optik“… Autsch allein die Überschriften schmerzen schon… „Wer sich einmal ganz genau mit der eigenen Zielgruppe (Welche war das nun bei mir schon wieder?) beschäftigt, kann recht gut einschätzen, was diese will.“„Setz Dir Zwischenziele und verfolge sie…“ Ach ja, das ist ja klar, das mache ich ja auch sonst im Leben (hüstel)… „Fehler sind keine Schande!“ Ah gut, zum Glück… aber vielleicht sollte ich doch lieber auf Schweizerdeutsch schreiben, um Rechtschreibefehler zu vermeiden?
Dann gibt’s noch Tipps zum Blognamen… Aha, der soll also nichts versprechen was er nicht halten kann… „UNA SUECA EN BUENOS AIRES“… Spanisch (aber ich schreibe auf Deutsch)… heisst eine Schwedin in Buenos Aires… (ich bin Schweizerin)… und habe bis jetzt noch kein Wort über Schweden, Buenos Aires oder die Schweiz geschrieben… ups… na toll!